Auch dieses Jahr durfte ich meine Thesen für den Handel 2025 im lesenswerten Carpathia-Blog beisteuern.
Die Einigkeit unter den ExpertInnen war gross: Künstliche Intelligenz wird im Handel eine entscheidende Rolle spielen. Insbesondere intelligente Shopping-Agenten müssen endlich den Sprung in die nächste Generation schaffen. Ich erwähne dort die Kombination von Google Gemini und Google Shopping – auch, weil ich es wie Jochen Krisch für sehr wahrscheinlich halte, dass dieses Thema von nicht E-Commerce Akteuren (à la Perplexity) vorangetrieben werden könnte.
Google: Es ist Zeit zu handeln – oder es zu lassen (Im E-Commerce)
In den letzten Jahren hat Google es schlichtweg verpasst, eine echte Shopping-Plattform oder gar einen Marktplatz zu etablieren. Eine schwache Bilanz. Natürlich verfügen sie (noch) über enormen Traffic und mit Google-Shopping über den (noch) führenden Kundenzugang im E-Commerce. Doch der Trend bei Produktsuchen ist klar rückläufig. Amazon ist in vielen Ländern zur ersten Anlaufstelle für Produktsuchen geworden, und in der Schweiz starten viele Shopper direkt bei Galaxus und sparen sich den „Umweg“ über Google. Ist das Googles Anspruch bei ihren Möglichkeiten?
Der ungenutzte Datenschatz und die verpassten Chancen
Trotzdem liefern fast alle Online-Händler brav ihre Produktdaten inklusive Preis und Verfügbarkeit an Google. Dieser Datenschatz schreit förmlich danach, gehoben zu werden. Gleichzeitig mischt Google im KI-Bereich ganz vorne mit. Meine Erfahrungen mit Gemini 2.0 (Flash Experimental) waren beeindruckend, und deren Projekte wie Astra und Mariner für das „Agentic Web“ zeigen das enorme Potenzial. Google hat alle Zutaten für etwas Grosses – aber sie scheinen nicht zu wissen, wie man sie verwendet. (Steile These, ich weiss)
Der Gemini Shopping Agent „GSA“:
Die logische Konsequenz (und Googles letzte Chance?)
Um die bestehenden Shopping-Einnahmen nicht zu gefährden (das Gebotsmodell ist nun mal verdammt lukrativ), wäre die Etablierung eines ergänzenden Geschäftsmodells der einzig sinnvolle Weg.
Der „Gemini Shopping Agent“ (GSA-Mein Arbeitstitel) könnte Händlern mit nur einem Klick die Teilnahme ermöglichen. Ihr bestehender Shopping-Feed würde zusätzlich in GSA integriert und von der KI verarbeitet. Identische Produkte (GTIN sei Dank) liessen sich problemlos konsolidieren und um Shop, Preis und Verfügbarkeit ergänzen. Die Bildanalyse per KI ist längst Realität.

Ein neues Ertragsmodell mit echtem Mehrwert
Ergänzend zum Klick-Gebotsmodell von Shopping wäre ein Provisionsmodell die logische Konsequenz. Bei erfolgreicher Vermittlung zahlt der Händler eine im Vergleich zu Amazon niedrigere Provision, da die Zahlung ja direkt beim Händler erfolgt. Diese Provision beinhaltet jedoch einen „Aufschlag“ für die beratende Leistung des Agenten. Google könnte so (für sich) attraktive Provisionen generieren.
Die Conversions inkl. deren Wert, werden ohnehin über Conversion-Tracking gemessen. Ein zusätzliches Gebotsmodell für bevorzugte Platzierungen bei gleichen Konditionen würde den Wettbewerb weiter ankurbeln. Klingt nach einem No-Brainer, oder?
Personalisierung: Der entscheidende Faktor
Das Training des Agenten mit persönlichen Vorlieben ist entscheidend. Hier hat Amazon mit seinen historischen Kaufdaten einen Vorteil, aber mit «Rufus» ist Amazon noch nicht der grosse Wuff Wurf gelungen. Doch auch Google könnte schnell aufholen. Natürlich fliessen alle Transaktionen und Interaktionen mit dem Assistenten in das Training ein. Allgemeine Vorlieben und Stilrichtungen könnten abgefragt werden. Selbst die (freiwillige!) Freigabe von Google-Daten (Websuchen, Standorte usw.) könnte das Erlebnis weiter personalisieren. Eine schnelle Lernkurve ist hier mehr als realistisch.
Die „Kirsche auf der Torte“ und das „Salz in der Suppe“
Exklusive Lizenzmodelle für Shops, die GSA für sich auf ihrer Seite nutzen, würden zusätzliche Einnahmequellen erschliessen. Entscheidend für den Erfolg ist jedoch das Frontend und die UX. Das Ganze muss über einen simplen Chatbot hinausgehen. Google Lens bietet hier einen idealen Einstiegspunkt für einen Usecase wie: «Ich will diesen Style (Bild/Video) noch diese Woche in meinem Kleiderschrank haben, mit möglichst wenig Paketen, zu einem Gesamtpreis von XYZ.» Weitere innovative Ideen überlasse ich gerne den Google-Entwicklern – sie sollten schliesslich etwas zu tun haben. Auch wenn hierfür dann noch 5 Giga-Rechenzentren mit eigenem Atomkraftwerk nötig wären. Das Investment ist doch kein Problem für euch. Oder?
Go Google, go! Don’t be stupid!
Ich bin gespannt, ob Google diesen „No-Brainer“ in dieser oder ähnlicher Form umsetzen wird. Und vor allem: wann? 2025 wäre der ideale Zeitpunkt, um ein Zeichen zu setzen und den Anschluss im E-Commerce nicht endgültig zu verlieren. Aber vielleicht erwarte ich da wirklich zu viel und die Komfortzone ist zu kuschelig?
Looking forward
Mal sehen, wie laut Rufus dieses Jahr noch bellt, wie Perplexity voran kommt oder ob Shopify die Gunst der Stunde nutzen kann und mit einem brauchbaren über alle Shops agierenden Agenten um die Ecke kommt. Oder ganz jemand anderes. Evtl. dann doch aus China? Es bleibt spannend.
Hinweis: Dieser Beitrag entstand mit Hilfe von AudioPen.ai, Gemini 2.0 und 2 Cappuccino. Das Bild habe ich mit DALL-E erstellt. Gerne weise ich auch noch auf meine Seite zum meinem Thema Fractional Executive hin.